Methods of this session Vortrag und Workshop
Duration of this Session 1 Halbtag
Materials for this Session Begehbare Kameras: Schwarze Plastikfolien, Klebeband, Schneidmesser, Zeichenkamera: Kartonröhren, Transparentpapier, Klebeband, Sammellinsen Camera lucida: Acrylglas & Acrylspiegel, Digitalkameras, Transparentpapier
See Volume One S 211– 223
See Volume two S. 174 – 181
See action CD SIGHTSEEING Selbstbaukamera Typ1 und 2
See Video CD THEMENAUSSCHNITTE Camera obscura, Georg Vith
Georg Vith
Entschleunigung des Sehens
Möglichkeiten zur Verlangsamung und Intensivierung des Sehprozesses mit Camera obscura und Camera lucida

Inhalt

Es ist die Fülle, die Komplexität und vor allem die Geschwindigkeit der Bilder, die uns ihre Wahrnehmung so besonders schwer machen. Camera obscura und Camera lucida werden hier als Methode verwendet, eine gewisse Distanz zum Wahrgenommenen und damit zum vermeintlich Bekannten zu schaffen.

Sie ermöglichen eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Akt des Wahrnehmens selbst. In der Folge bieten sie über den Weg des Wartens auf das Erscheinen der Bilder im dunklen Raum (Camera obscura) und das eigene Zeichnen (mit Hilfe der Camera lucida) eine Entschleunigung des Sehens.

Ziele

Sehen in Zeitlupe: Das Festhalten von Bildmomenten mittels Fotografie und Zeichnen erfordert bewusstes Sehen: Eine bewusste Wahl des Ausschnittes, das Fokussieren des Blicks auf ein bestimmtes Phänomen (Silhouette, Glanzlichter, Strukturen, Kontraste, Komposition etc.).

Durch fotografische und zeichnerische Prozesse versuchen wir, den Sehvorgang rückholbar, kommunizierbar, variierbar oder vergleichbar zu machen. Das langsame Nachzeichnen und Skizzieren von ausgewählten Bildteilen mittels Camera obscura und / oder Camera lucida soll zu einem intensiven und einem bewussten Sehen beitragen.

Module

Camera obscura als Raumkamera
Die Erfahrung einer »Entschleunigung der Wahrnehmung kann besonders gut in einer Camera obscura gemacht werden. Die Camera obscura besteht aus einem vollständig verdunkelten Raum, in den sich die Studierenden begeben.

Die Faszination dieser Installation liegt im Aspekt des Wartens auf Bilder (Adaptionszeit des Auges ca. 15–20 Minuten). In dieser Zeit des Wartens in einem nahezu reizfreien Raum entwickelt sich eine Art Spannung. Durch eine kleine Öffnung in der Verdunkelung dringt Licht von außen ins Innere des Raumes und wirft eine Projektion des Außenbildes in den Innenraum. Die Langsamkeit des auftauchenden Bildes ermöglicht ein intensives Seherlebnis, ein Staunen und allmähliches Erkennen.  

Die Dunkelphase kann benutzt werden, um über das Sehen, die Schnelligkeit der visuellen Reize, ihre ununterbrochene Prä­senz usw. zu sprechen (siehe Fragen). Durch die Veränderung der Lochgröße können optische Phänomene, wie Schärfe und Unschärfe erläutert werden; die Veränderung der Position des Loches öffnet Möglichkeiten der Bildwahl. Das Bild in dieser Camera obscura wandelt sich ständig. Es ist abhängig von der Situation des Raumes (innen), der Zeit, von den Lichtverhältnissen außen: Das Wetter ändert sich, der Wind bewegt die Bäume, ein Auto fährt vorbei … Aber auch die Personen selbst, die sich im Inneren des Raumes befinden, können sich bewegen, können mit »Bilderfängern« (weißen Leinwänden, Zeichenpapier) umhergehen und bestimmte Außenbildausschnitte auf gut reflektierende Untergründe einfangen und hervorheben.

Versuchsanordnung: Raum mit Fenster nach Norden, Tageslicht, helle Wände, Möglichkeit des Abdunkelns mit schwarzer Folie. Benötigte Zeit für Aufbau und Projektion ca. 2 Stunden.

Camera obscura und Camera lucida als Zeichenkamera
Camera obscura II (Bild 3) – hierbei handelt es sich um die mitnehmbare, handliche Variante der Camera obscura in Verwendung als Zeichenkamera und Camera lucida (Bild 4 und 5) sind Hilfsmittel zum Skizzieren. Ihre Stärken liegen in ihrer Handlichkeit. Sie ermöglichen, ohne »Gesichtsverlust« zu zeichnen, man kann nicht scheitern, man muss nicht »begabt« sein. Wer sehen und schreiben kann, kann auch zeichnen. Mit beiden Hilfsmitteln können visuelle Eindrücke festgehalten werden, eine gewisse Gewöhnungsphase ist notwendig. Auf den Bau dieser beiden Cameras wird hier nicht näher eingegangen, diese Beschreibungen sind auf der beiliegenden CD im Grundlagenwerk »Sehen ist lernbar«.

Camera obscura und Camera lucida sind hilfreiche Werkzeuge auf der Suche nach bestimmten Bildausschnitten, sie unterstützen vor allem das eigenständige und ungezwungene Skizzieren. Mit ihnen kann durch Wahl ganz bestimmter optischer Reize die Beobachtung geschult werden, indem man Teilaspekte der Bilderwelt bewusst auswählt: Glanzlichter, dunkle Stellen, bestimmte Farben, Formen oder Strukturen. Auf diese Art und Weise bieten beide Hilfsmittel die Möglichkeit, optische
Eindrücke schrittweise zu erarbeiten. Die verschiedenen Skizzen zeigen unterschiedliche fragmentarische Kompositionen des projizierten Umraumes auf einer zweidimensionalen Zeichen-ebene. Diese Kameras eignen sich ebenfalls ausgezeichnet dafür, Bilder an Bildschirmen gefiltert zu betrachten und zeichnerisch zu analysieren – eine ausgesprochen aktive Schule des Sehens. Situationen: Im Café, der Blick aus dem Zimmer durch das Fenster, vor dem Fernseher oder PC-Bildschirm, Verwendung von Lampen zum Ausleuchten eines Schreibtisches oder eines Raumes. Die Zeichenfläche sollte leicht abgeschattet werden. Benötigte Zeit zum Skizzieren: ca. eine Stunde.

Digitalkamera
Mit der Digitalkamera können die oben beschriebenen Situationen und Bildausschnitte festgehalten werden. Einerseits können diese Bilder zum Vergleich mit den Skizzen herangezogen werden (visuelles Tagebuch), sie können ebenfalls nach bestimmten zeichnerischen Gesichtspunkten weiter verarbeitet werden: über den Ausdruck eines Bildes wird ein Transparentpapier gelegt – auf dieses Papier werden ebenfalls bestimmte Gesichtspunkte, wie Silhouetten, Glanzlichter, Komposition, vgl. oben, skizzenhaft durchgezeichnet (Bild 6).

Situation: Arbeit am Tisch. Benötigte Zeit: ca. eine Stunde.

Variationen & Erweiterungen

Bau der Camera obscura als Zeichenkamera: ca. fünf Stunden.
Bau der Camera Lucida: ca. zwei Stunden. Diese Kamera besteht aus Acrylglas und Acrylspiegel, die im Winkel von 45 Grad zueinander stehen. Die Besonderheit dieser Kamera besteht darin, dass gleichzeitig die Projektion der Umgebung auf der Zeichenfläche und die skizzierende Hand sichtbar sind.
Variation: Verwendung eines Overheadprojektors.

Fragen